Krimi „The Thursday Murder Club“ auf den Spuren von Miss Marple

Jeder kennt Miss Marple. 1927 erfand Krimimeisterin Agatha Christie Jane Marple, eine neugierige alte Dame mit einem brillanten Verstand, die als Amateurdetektivin Mordfälle löste. Sie lebte in dem Städtchen St. Mary Mead, wo die englische Welt (weitgehend) in Ordnung war. Die vier Miss-Marple-Streifen mit Margaret Rutherford zählen bis heute zu den liebsten Filmklassikern der Deutschen und sind so etwas wie die Prototypen des Muckelkriminalfilms mit Humor und gebremstem Thrill. Der erste literarische Auftritt der berühmtesten aller Hobbykriminalistinnen war übrigens in einer Kurzgeschichte namens „The Tuesday Night Club“ im „Royal Magazine“.
Deswegen heißt der neue Film des US-Regieroutiniers Chris Columbus, der unter anderem die beiden ersten „Harry Potter“-Filme inszenierte, „The Thursday Murder Club“. Wobei die Hommage an Agatha Christie natürlich von Richard Osman ausgeht, dem Autor der auch ins Deutsche übertragenen vier „Donnerstagsclub“-Romane.
Osmans Miss Marple hört auf den Namen Elizabeth Best und wird im Film von der ewig aparten Helen Mirren gespielt. Sie ist die schnittigste Lady im Landschloss Cooper’s Chase, einer superfeudalen Seniorenresidenz, an die die meisten Zuschauer nicht einmal im Traum denken würden.
Mit den drei anderen Klubmitgliedern, dem Ex-Gewerkschaftsführer Ron Ritchie (Pierce Brosnan), dem feingeistigen Psychologen Ibrahim Arif (Ben Kingsley) und der neuen Mitbewohnerin, der Krankenschwester Joyce Meadowcraft (Celia Imrie) arbeitet Elizabeth, die als ihren früheren Beruf zunächst „internationale Angelegenheiten“ angibt, Cold Cases ab – Fälle, bei denen die Ermittlungen ergebnislos eingestellt wurden. Aktuell ist es einer aus dem Jahr 1973, als eine junge Frau namens Angela Hughes mit einem Messer in der Brust aus dem Fenster fiel.

Etwas Besseres als das schwierigste Sudoku in der Zeitung werden wir überall finden, sagt sich auch die brave Joyce, als sie die komatöse Ex-Polizistin Penny Grey als Klubmitglied auf Probe ersetzen und ihre medizinischen Kenntnisse in die Mördersuche einbringen soll. Plötzlich gibt es auch einen heißen Fall. Der nette Tony Curran (Geoff Bell), derjenige der drei Eigner von Cooper’s Chase, der den Verkauf der Immobilie samt Grundstück verhindern wollte, wird ums Leben gebracht.
Nun droht den Insassen der Rauswurf, weil hier Luxuswohnungen entstehen sollen. Und die Detektive sollen bald feststellen, dass Mordfälle, in denen noch Interessen aktiv sind und Täter unentdeckt bleiben wollen, einen anderen Gefährdungsgrad für den Klub darstellen als die uralten Leichen der Kartei.
Und so macht sich eine kuschelige Tätersuche mit zumindest einigen witzigen Momenten auf den Weg, dem Zuschauer zwei Stunden Zeit zu vertreiben – mit einer cleveren schwarzen Jungpolizistin (Naomi Ackie) und deren leicht angetrotteltem Chef (Daniel Mays) als professionelle Verbrechensverfolger.
Private Nöte der Heldinnen und Helden werden dazu gepackt, sollen mehr Empathie für sie wecken: Elizabeth hat einen charmanten, aber dementen Ehemann (Jonathan Pryce), Ron ringt um die Beziehung zu seinem Sohn Jason (Tom Ellis), Ibrahim ist schwul und einsam wie Joyce, die seit Kurzem verwitwet ist.
Wessen Spannungslevel mit Serien wie „Mord ist ihr Hobby“ oder „Inspektor Barnaby“ erreicht ist, der liegt hier in etwa richtig. Hier bleibt alles Explizite an Gewalt der Vorstellung des Zuschauers vorbehalten. Das Schrullig-Britische, die Quirkiness, die solche Serien auch für Anhänger härterer Krimi-Gangarten amüsant macht, ist allerdings eher schwach ausgeprägt. Hier ist Hollywood deutlicher im Spiel als etwa in Rian Johnsons vergnüglichen „Knives Out“-Filmen mit Daniel Craig.
Steven Spielbergs Amblin Entertainment, die Firma mit dem Jungen und E.T. auf dem Fahrrad vorm Vollmond als Logo, ließ mehr erwarten. Und Chris Columbus stand - ehrlich gesagt - noch nie für Tiefe, eher für Brimborium und Ausstattung.
Es ist Mirrens Show, die sich als Ex-Kollegin von James Bond herausstellt, als ehemalige MI6-Agentin. Schon vor 15 Jahren war Mirren in Robert Schwentkes Comicverfilmung „R.E.D.“ eine pensionierte Agentin im späten Einsatz. Zuletzt war sie als handfeste Rancherin Cara Dutton im „Yellowstone“-Spinoff „1923“ zu sehen und in Guy Ritchies nach dem „Mörderclub“ gedrehter, supertougher Gangsterserie „MobLand“ war sie die heimliche und ziemlich hintertriebene Clanmatriarchin Maeve Harrigan. Mit ihr wechselten Brosnan und Bell an den „MobLand“-Set.
In einer Szene von „Thursday Murder Club“ wird ihr Landmuttchenlook aus Stephen Frears Drama „Die Queen“ über Königin Elizabeth II. zitiert. „Du siehst aus wie die Queen“, begeistert sich Gatte Stephen. Der auch vorschlägt, man könne mal wieder „Heißer Verdacht“ anschauen - das war die langlebige, zu Recht preisgekrönte Serie, mit der Mirren 1991 richtig durchstartete. Und Columbus merkt nicht, dass er damit Vorschläge macht, wo man vielleicht etwas Interessanteres sehen kann.
„The Thursday Murder Club“, Film, zwei Stunden, Regie: Chris Columbus, nach dem Roman von Richard Osman, mit Helen Mirren, Celia Imrie, Pierce Brosnan, Ben Kingsley, Naomi Ackie, Daniel Mays, Henry Lloyd-Hughes, Jonathan Pryce, Geoff Bell, Tom Ellis, David Tennant (bereits streambar bei Netflix)
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